Heft-Stories

Taktikschulung mit dem Holopackage → Praxistest

Das oberösterreichische Unternehmen Realsim ist inzwischen für Simulationssoftware ein Begriff. Sie wird intensiv bei Polizei und Militär genutzt, bietet aber auch Softwarelösungen für die Feuerwehren an. Nun wird das Tool für die Taktikschulung auch auf Bezirks- und Abschnittsebene leistbar. Der Brennpunkt-Redakteur hat sich das „Holopackage“ in der Praxis angesehen.

Von Hermann Kollinger → mit einer Story aus der Brennpunkt-Ausgabe 6 / 2024 (Dezember)

Die Welt vermischt sich zwischen realer und künstlicher Umgebung. Das ganz große Plus gegenüber anderen Systemen, da es somit auf alle Umgebungen angepasst werden kann.

XVR ist vielen auch im Feuerwehrwesen inzwischen ein Begriff. Es handelt sich hier um Softwareanwendungen, bei denen der Anwender vollständig im „Computer verschwindet“ und dort meist als Figur in einer künstlichen Umgebung interagiert. Die zu behandelnden Szenarien sind dabei darauf beschränkt, was der Hersteller im Vorfeld programmiert hat oder vielleicht auch als Update zusätzlich anbietet.

Virtualität und Realität vermischt

Eine Stufe höher siedelt sich das sogenannte Holopackage von Realsim aus Linz an. Hier vermischt sich die virtuelle Welt mit der realen Umgebung und erlaubt auf diese Weise wesentlich mehr Flexibilität. Das System ist inzwischen schon ein Weilchen am Markt, jedoch wird es jetzt mit den sinkenden Preisen der VR-Brillen auch für Feuerwehren auf Bezirks- und Abschnittsebene oder gar im Einzelbezug interessant. Die für die Ausbildungssoftware zusätzlich erforderliche Meta Quest 3 – VR-Brille ist beispielweise pro Stück schon um unter 500,- Euro zu haben.

Was kann das Holopackage

Holopackage bietet vor allem für Führungskräfte (Gruppenkommandanten, Einsatzleiter) – egal, ob zur Auffrischung oder zum neuen Anlernen von Wissen – die Möglichkeit, im wettergeschützten Raum als auch im Freien eine enorme Vielfalt an Einsatzszenarien zu beüben bzw. die anstehenden Entscheidungen zu trainieren. Hierbei vermischt sich das echte Umfeld mit der künstlichen Umgebung, die vom System kreiert und durch die VR-Brille in vermischter Art und Weise zu sehen ist. Vom Brandeinsatz bis zum Verkehrsunfall bzw. dem Gefahrguteinsatz lässt sich mit Einbezug von Google Maps eine schier endlose Zahl an Szenarien aufbereiten, die nicht nur abgespeichert werden können, sondern eine umfassende Möglichkeit für die Schulung von Entscheidungsträgern anbietet. Neben der Variante, dass der Proband seine Entscheidungen nur mündlich bekannt gibt, lässt sich jedes Beispiel durch einen Multiple-Choice-Fragenkatalog entsprechend ausbauen und das Szenario je nach (richtiger oder falscher) Entscheidung weiter ausdehnen. D.h. bei einer korrekten Entscheidung wird beispielsweise der Brand kleiner, bei einer falschen oder zu späten Befehlsgebung dehnt sich das Feuer weiter aus – je nach dem, was der Übungsvorbereitende für den Teilnehmer vorgesehen hat.

Soft- und Hardware kommen aus getrenntem Haus. Als Brille ist die Meta Quest 3 erforderlich.
Anhand von Google Maps wurde ein Objekt im Gemeindegebiet für das Indoor-Training gewählt.
So sieht der Träger der Brille seine Umgebung.

In der Praxis

Bislang liest sich das alles entsprechend den üblichen Beschreibungen der Hersteller, wo klarerweise jeder seine Ware lobt. Der Autor hatte Anfang Dezember die Möglichkeit, sich das Paket im Praxistest mit einigen Feuerwehrkameraden anzusehen, die von dieser Materie her noch völlig unbelastet waren. Dabei waren die Anwender gestreut vom Frischling, über den Erfahrenen bis hin zum Feuerwehrmann, der schon mehrerer Jahrzehnte der Feuerwehr angehört.

Indoor-Beispiel:

Das erste Szenario wurde im Ausbildungsraum der Feuerwehr ausgetragen. Neben dem PC / Notebook mit Internetverbindung und zwei Meta Quest 3 – VR-Brillen wurde ein Beamer verwendet, um auch jenen Teilnehmern das Gesehene zu visualisieren, die gerade keine Brille trugen und damit zu sehen bekamen, was der Brillenträger sah. Im Regelfall bedarf es sonst eben nur des Computers, Internetanbindung und der gewünschten Anzahl an VR-Brillen. Als Übungsbeispiel wurde ein zuvor über Google Maps ausgewähltes Wohnhaus aus dem eigenen Gemeindegebiet gewählt. Dieses wurde dann auf die Größe eines der vorhandenen Tische skaliert (bis zum originalen Maßstab möglich) und die gewünschten Einsatzfahrzeuge, die zur Verfügung standen, platziert. In dem Fall beschränkte man sich zu Demozwecken auf ein Tanklöschfahrzeug, dass auf der realitätsgetreuen Zufahrt in der betreffenden Siedlung abgestellt worden ist. Sobald der Übungsproband seine Brille aufsetzte, sah er sich mit der vorbereiteten Lage konfrontiert. Es brannte im Obergeschoß des Wohnhauses bzw. drang aus einem weiteren Fenster bereits Rauch aus.

Nun hatte der potenzielle Einsatzleiter die Gelegenheit, seine Entscheidungen und Befehle für die Mannschaft zum Besten zu geben. Selbstverständlich hatte er auch die Gelegenheit, sich rund um das Gebäude zu bewegen und sich die Lage aus mehreren Winkeln anzueignen. Würde das Trainingsteam nun vielleicht aus einem Atemschutztrupp bestehen, hätte dieser – bei entsprechendem Bewegungsspielraum – auch die Gelegenheit, sich ins Haus zu begeben und virtuell einen Innenangriff vorzunehmen.

Outdoor-Beispiel:

Für das Outdoor-Beispiel wurde der Vorplatz des Feuerwehrhauses herangezogen. Innerhalb weniger Minuten hatte der Trainer – in diesem Fall von Realsim – ein einfaches Szenario vorbereitet, das aus einem Tankwagen mit Gefahrgut und einem aufgefahrenen Pkw bestand. Sobald man die Brille aufgesetzt hatte, vermischte sich die reale Umgebung wieder mit den eingespielten Komponenten. Man entdeckt zwei Verletzte, um die es sich zu kümmern galt. Ein Knistern machte auf einen Entstehungsbrand aufmerksam. Wie bei einem echten Szenario kommt man trotz virtueller Darstellung gar nicht auf die Idee, dass man vielleicht durch den Lastwagen oder den Pkw durchgehen könnte. Nein, man geht automatisch um das Szenario herum. Legt man sich am Boden und schaut zwischen den Zwillingsrädern des Lastwagens hindurch, sieht man plötzlich jemanden unter dem Lkw liegen oder jene Personen, die sich auf der anderen Fahrzeugseite aufhalten – ob reale Menschen oder eben jene der virtuellen Darstellung (lediglich für den Außenstehenden wirkt es etwas komisch, sieht man den Brillenträger auf offener Fläche im nichts herumkriechen).

Der Außenstehende ohne Brille sieht nur den alleine gestikulierenden Feuerwehrmann.

Beide Beispiele wurden aus zeitlichen Gründen nun nicht ins Detail zerlegt und analysiert. Die Probanden kamen jedoch zum einhelligen Schluss, dass die Übungsmöglichkeiten selbst unglaublich sind. Vor allem wenn es eben darum geht, junge Einsatzleiter oder Feuerwehrleute auf Aufgaben vorzubereiten, deren Entscheidungsfreude zu testen oder die taktischen Kenntnisse zu forcieren.

Kombinationen möglich

Das System erlaubt auch die Kombination zwischen Praxis und virtuelle Welt. Bleiben wir bei dem Unfall mit dem Tankwagen und dem Auto, ließe sich beispielsweise der Teil mit dem Auto und einer Menschenrettung mit echten Komponenten und Menschen abarbeiten, während der Einsatzleiter mit seiner Datenbrille in erweitertes Szenario eingespielt bekommt, das er in seinen Entscheidungen zusätzlich berücksichtigen muss. Der Vielfalt sind hier kaum Grenzen gesetzt.

Das vor dem Feuerwehrhaus dargestellte Szenario. Für die Umgebung bedarf es genauso Licht, da die Teilnehmer sonst im Dunkeln tappen. Der Feuerwehrmann am Bild rechts beschäftigt sich gerade mit dem verletzten Kind, auf das er am Unfallautos gestoßen ist. Das Auto ließe sich auch durch ein Echtfahrzeug ersetzen und bearbeiten, während beispielsweise nur der Einsatzleiter ein größeres Szenario erhält.

Eigengestaltung oder per Dienstleistung

Für die Vorbereitung eines Szenarios steht eine Vielzahl an Einblendungen zur Verfügung, was Fahrzeuge, Personen, Brände etc. betrifft. EDV-versierte Anwender werden rasch in der Lage sein, sich die Beispiele selbst vorzubereiten. Diese lassen sich dauerhaft speichern und somit immer wieder laden und dann ohne Vorbereitung auch anwenden. In der Erstphase wird es der Hilfe des Lieferanten der Software benötigen, der beim Kauf jedoch eine entsprechende Einschulung liefert, das Programm ohne Hilfe Dritter bedienen zu können.

Software und Brille getrennt

Wichtig ist, dass das Holopackge und die Brille getrennt voneinander zu beziehen sind. Realsim liefert die Software und – und in diesem Fall – Meta die Brille → so wie Sie sonst ein Programm für ihren PC oder App für ihr Mobiltelefon beschaffen. Wie bereits erwähnt, ist es auch möglich, mehrere Brillen in einem Szenario zu verwenden. Jeder Träger einer VR-Brille sieht – natürlich abhängig davon, wo er gerade steht – das Gleiche. Mit dem Kauf der Software erhalten Sie eine Softwarelizenz (und allfällige Updates) für den Zeitraum eines Jahres. Dann ist diese käuflich wieder zu verlängern (zu einem günstigeren Preis als die Erstanschaffung).

Ein schnelles Szenario (Pkw kracht in Tankwagen) wird mit Schauplatz vor dem Feuerwehrhaus vorbereitet.
Freaks sollten in der Lage sein, sich recht rasch die Szenarien selbst zu programmieren. Sonst lässt sich die Arbeit auch käuflich erwerben.

Fazit

Wie bei allen anderen Simulationen auch, wird diese Simulation nicht die Arbeit in der Praxis ablösen. Das Holopackage bietet jedoch eine hervorragende Möglichkeit, Taktik zu trainieren – witterungsunabhängig (bei Indoor) und beim kaum bis gar keiner Vorbereitungszeit, sobald die ersten Szenarien vorbereitet sind. Das gleiche Beispiel lässt sich immer wieder mit wechselnden Probanden durchgehen und so auch die Entscheidungen vergleichen. Geht man einen Schritt weiter, lassen sich eben auch Fragen einbauen, dessen Beantwortungen sich – entsprechend vorbereitet – auf das Szenario auswirken.

Persönlich gesehen ist es auch spannend, dass man eben wirklich sich um das Fahrzeug herumbewegt und im Normalfall nicht auf die Idee kommt, einfach durchzugehen. So bedarf es anfangs auch Überwindung, bei der Fahrerkabine einmal seinen Kopf reinzustecken, um zu sehen, ob sich darin noch jemand befindet. Nach draußen sind man dann auch nur über die entsprechenden Fensteröffnungen. Die genannte VR-Brille ist mit unter 500,- Euro pro Stück inzwischen auch für die einzelne Feuerwehr erschwinglich. Je nach Feuerwehrbudget oder Anzahl an Feuerwehren innerhalb der Gemeinde lässt sich das Programm durchaus auch als Gemeinschafskauf beschaffen oder führt dies auf Abschnitts- oder Bezirksebene durch. Zum Lernen bietet es auf jeden Fall coole Möglichkeiten, die sich im Laufe der nächsten Jahre wohl noch weiter ausdehnen werden.

Die Meta Quest 3 und ihre Möglichkeiten

Weitere Infos finden Sie im Web unter https://www.realsim.info/

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